P. Biller u.a. (Hrsg.): Inquisitors and Heretics

Cover
Titel
Inquisitors and Heretics in Thirteenth-Century Languedoc. Edition and Translation of Toulouse Inquisition Depositions 1273–1282


Herausgeber
Biller, Peter; Caterina, Bruschi; Shelagh, Sneddon
Reihe
Studies in the History of Christian Traditions 147
Erschienen
Leiden 2011: Brill Academic Publishers
Anzahl Seiten
1088 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Georg Modestin, Bern

Der Name Doat lässt jedem häresiologisch interessierten Mediävisten das Herz höher schlagen. Er gehört Jean de Doat (um 1600–1683), Präsident der Chambre des Comptes des Parlaments von Pau, der im Auftrag des königlichen Ministers Colbert in den Jahren 1663–1670 in zahlreichen südfranzösischen Archiven Abschriften lokaler Quellen anfertigen liess, die in 258 Bänden Colberts Privatbibliothek zierten, bis sie 1732 in die königliche Bibliothek, die nachmalige französische Nationalbibliothek überführt wurden, wo sie bis heute aufbewahrt werden. Die sogenannte Kollektion Doat ist Teil der «Collections de documents et mémoires sur l’histoire de diverses provinces de France», die im 17. und 18. Jahrhundert kompiliert wurden und insgesamt nicht weniger als 2585 Bände umfassen. Die Bedeutung dieser Sammlungen liegt darin, dass darin in Form von Abschriften zahlreiche Quellen überliefert sind, deren Originale seither verschwunden sind. Dies ist auch der Fall des im vorliegenden Band edierten Textkorpus aus dem Archiv der Dominikaner von Toulouse, dessen Textbestand sich nur dank der Abschrift in Doat, Bd. 25–26, erhalten hat. Es handelt sich dabei um Vernehmungsprotokolle der Toulouser Inquisition aus den Jahren 1273–1282, die einst in einem gesonderten Codex überliefert waren, der – wie die Herausgeber mit detektivischem Spürsinn nachweisen – als «Register Nummer sechs» in Toulouse aufbewahrt wurde, dessen Spuren sich aber nach dem Jahr 1669, in dem er von Doats Leuten kopiert wurde, verlieren. Der Inhalt dieser Quelle, die vermutlich einen Auszug aus vorgängigen, kompletteren Vernehmungsmitschriften mutmasslicher Katharer und (in geringerem Masse) Waldenser enthält, steht stellvertretend für weiteres häresiologisch relevantes Material, das in der Kollektion Doat überdauert hat und das den Namen Doat in den interessierten Kreisen bis heute klingen lässt.

Die lesenswerte Einführung zu dieser Edition, in der das lateinische Original mit einer parallel gesetzten englischen Übersetzung versehen ist, enthält nebst ausführlichen überlieferungsgeschichtlichen Erörterungen auch eine historische Situierung der Umstände, die dazu führten, dass in den 1270er-Jahren – rund vier Jahrzehnte nach Beendigung des Albigenserkreuzzugs – die Ketzerverfolgung im Languedoc neu aufflackerte: Zum einen wird ein Zusammenhang mit dem Aufstand des Grafen Roger-Bernard III. von Foix gegen die neu etablierte französische Herrschaft hergestellt, der von König Philipp III. unter Einsatz grosser Machtmittel niedergeschlagen wurde; zum anderen wird auch das wieder erwachte Interesse des Papsttums an der Ketzerverfolgung angeführt, das durch Gregor X. verkörpert wurde, der kurz zuvor nach einer längeren Sedisva-kanz gewählt worden war. Weitere Überlegungen beziehen sich auf die Inquisitoren, die im ursprünglichen sechsten Register federführend waren, nämlich die Dominikaner Ranulph von Plassac und Pons von Parnac, und auf den Redaktionsprozess der Akten. In letzterem Zusammenhang kommen auch die Schreiber zur Sprache, denen wir unsere Kenntnis der Quelle letztlich verdanken. In Bezug auf die Notare stellt sich heraus, dass diese zum Zeitpunkt der Niederschrift der in der Kollektion Doat erhaltenen Akten über z. T. schon jahrzehntelange Erfahrungen im Inquisitionswesen verfügten – eine Beobachtung, die sich auch in anderen Verfolgungszusammenhängen machen lässt und die nahelegt, dass die Notare vielfach sehr viel mehr als «nur» bezahlte Hilfskräfte waren, nämlich erfahrene Wissensträger, die für die reibungslose Abwicklung der Verfahren besorgt waren.

Dem überaus stattlichen, über tausend Seiten starken Band ist eine grosse Leserschaft zu wünschen, zumal seine (hochschul-)pädagogische Verwendung durch die Übersetzung der Quellen in eine moderne Sprache und durch einen nützlichen historischen Apparat gründlich erleichtert wird.

Zitierweise:
Georg Modestin: Rezension zu: Peter Biller/Caterina Bruschi/Shelagh Sneddon (Hg.), Inquisitors and Heretics in Thirteenth-Century Languedoc. Edition and Translation of Toulouse Inquisition Depositions 1273–1282 (=Studies in the History of Christian Traditions 147), Leiden/Boston, Brill, 2011. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 108, 2014, S. 498-499.

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